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Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Internationale Rechnungslegung – Prof. Dr. Rolf Uwe Fülbier

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​Wirtschaftsprüfung im Umbruch: Prof. Fülbier regt zur Diskussion an mit einem „Standpunkt“ in IDW Life 6/2023 

11.07.2023

Wirtschaftsprüfung im Umbruch

Wie können die unbestreitbaren Herausforderungen, vor denen der Berufsstand in der jetzigen Umbruchsituation steht, als Chance genutzt werden, um den Beruf (wieder) attraktiver zu machen?


  • Weiträumige EU-Vorgaben und komplexe Standards zur Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung treffen nicht nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern wirken weit in den Mittelstand hinein. Diese gehen mit neuen Prüfungspflichten und Geschäftsfeldern einher, die der Berufsstand bewältigen muss. Hierfür sind Kapazitäten und Qualifikationen aufzubauen. In der Konsequenz steht die bisherige Qualifikation der Wirtschaftsprüfer/innen in punkto Berufszugang (WP-Examen) und Fortbildung zur Diskussion.

Würde man das Berufsexamen völlig neu denken und nicht „einfach so“ um die Nachhaltigkeitskomponenten ergänzen, wäre das eine Chance: Entschlacken und differenzieren, schon im Berufsexamen! Ein generalistisches Grundexamen könnte mit der weiteren Möglichkeit freiwilliger Zusatzexamen kombiniert werden, in Richtung spezialisierter Fachprüfer/innen (z.B. IFRS, ESRS, IT, etc.) – die Parallele zu Fachärzten oder Fachanwälten drängt sich auf.
Für die Angewandte BWL/VWL könnte stärker als bisher ein fachlich passendes Studium an einer Hochschule anerkannt werden. Je nach Fachprüfungsausrichtung wären zudem bestimmte Studiengänge (z.B. Wirtschaftsinformatik für die IT-Prüfung) und Schwerpunkte (z.B. Internationale Rechnungslegung für die IFRS-Prüfung) geeignet.


  • Demographischer Wandel und „Fachkräftemangel“ führen zu schon heute zu Nachwuchsproblemen. Bei der neuen Generation („Z“) hat die Wirtschaftsprüfung aus vielen Gründen an Glanz verloren, auch ist man immer weniger bereit, mit vielen (Über-)Stunden familienunfreundlich abseits der Heimat zu arbeiten. Diejenigen, die diese Bereitschaft heute noch mitbringen, zieht es dann eher in andere Bereiche, z.B. zu Großunternehmen oder in die Strategieberatung, auch wegen der dort attraktiveren Einstiegsgehälter.

Prüfungsgesellschaften könnten aber die Arbeitsbedingungen und Anreiszsysteme neu gestalten, um Karrieren (bis zur Partnerschaft) in Teilzeit, trotz Eltern- oder Pflegezeit, im Home Office zu ermöglichen. Karrierepfade auch ohne Berufsexamen sind neu zu denken. Intelligente Vergütungssysteme jenseits der Umsatz- oder Finanzerfolgsgrößen wären zudem zu diskutieren, um die Investition in die hohe Qualifikation besser zu verzinsen, aber auch die kritische Grundhaltung und Prüfungsqualität zu stärken. Auch die schon länger diskutierte Möglichkeit eines „Syndikus-WP“ scheint attraktiv.


  • Die Digitalisierung gehört mit in diese Aufzählung, die gerade dieser Tage mit Hinweis auf die KI den Abgesang klassischer Buchführungs- und Prüfungstätigkeiten einzuläuten scheint. Darin liegt aber ebenfalls eine Chance: Routinen und Dokumentationsvorgänge an die KI auszulagern, dürfte nicht nur den Fachkräftemangel in Teilen reduzieren. Auch würde der Prüferberuf attraktiver. Der Mensch hätte dann nicht nur die Plausibilität der KI-erzeugten Ergebnisse zu prüfen, er könnte sich vor allem auf die Beurteilung der fachlich anspruchsvollen Bereiche (einschließlich der KI selbst) und auf die persönliche Kommunikation mit den Mandanten konzentrieren.


  • Die Wirtschaftsprüfung steht zudem gesellschaftlich unter Druck: Bilanzskandale wie Wirecard und damit einhergehende Verschärfungen des Berufsrechts nagen an der Attraktivität des Berufs. Zudem wirken die einstigen „Halbgötter des Rechnungswesens“ heute öfters wie Getriebene, die angesichts vielfältiger Haftungsrisiken, Governance-Restriktionen und komplexer Regelwerke, z.B. den IFRS oder, künftig, den ESRS, kaum noch ohne Grundsatzabteilungen im Rücken arbeiten können. Das Problem der Erwartungslücke scheint zudem noch ungelöst. So gerät die Wirtschaftsprüfung regelmäßig neu in Verruf, wenn Unternehmen in Schieflage geraten – trotz eines zuvor erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerks.

Es geht also nicht zuletzt auch darum, den gesellschaftlichen „impact“ oder „purpose“ herauszustellen, denn schließlich hilft die Wirtschaftsprüfung seit jeher, die volkswirtschaftlich so wichtige Unternehmensberichterstattung ehrlich(er) und regelkonform(er) zu gestalten. Das gilt bald auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es bedarf aber auch der Diskussion, nicht nur in den Fachgremien, was denn überhaupt ein Prüfungsurteil ausdrückt. Im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung kommen weitere Fragen und vielleicht auch neue Erwartungslücken hinzu. Auch ist zu fragen, wie man die Eigenständigkeit der Prüfer/innen trotz des Regelwusts und der zunehmenden Haftung wieder stärken kann.

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